Ulrich Effenhauser – nicht nur ein Deutschlehrer

Der Schriftsteller des Benedikt-Stattler-Gymnasiums ist mit dem Literaturpreis „Irseer Pegasus“ ausgezeichnet worden

Ef­fen­hau­ser bei der Le­sung aus sei­nem Roman "Alias Tol­ler" in der Buch­hand­lung Oex­ler

„Unter anderen Umständen hätte ich freilich nachgesehen, was es mit dem Geräusch auf sich hatte, aber ich hatte zu tun…“

So beginnt die mit dem bekannten Jurypreis „Irseer Pegasus“ ausgezeichnete und im Sammelband „BeziehungsKrisenHerd“ erschienene Erzählung „Der Auftrag“ von Ulrich Effenhauser. Unabwendbar wird der Leser durch eine dokumentarische Präzision des Erzählens und eine raffinierte sowie waghalsige Satzmelodie in die zwanghafte Lebens- und Gedankenwelt des bewusst nur schemenhaft gezeichneten Ich-Erzählers gezogen. Dieser, eben völlig fokussiert auf einen nicht näher bestimmten beruflichen „Auftrag“, blendet die doch so offensichtlichen Hinweise auf die mehr oder weniger heimliche Anwesenheit eines Fremden in seiner Wohnung aus. Um weiter an seinem kniffligen Projekt arbeiten zu können, belügt sich der Protagonist selbst und weicht wie in einem Hamsterrad taumelnd der letztlich doch unvermeidbaren Situation eines Aufeinandertreffens solange wie möglich aus. Effenhauser schafft es auf den wenigen Seiten, seiner Erzählung psychologische Tiefe zu verleihen, nicht zuletzt weil er durch geschickte Lenkung den Leser glauben lässt, einen Wissensvorsprung vor dem Ich-Erzähler zu haben. Ständig möchte man der Figur zurufen, sie solle sich doch endlich um das Wesentliche kümmern, so wichtig könne doch kein „Auftrag“ sein, dem fatalen Ende könne entgegengesteuert werden. Doch letztendlich muss sich wohl so mancher Rezipient während des Lesens der letzten Zeilen eingestehen, sich selbst, wenn auch nur im Kleinen, im zwanghaften Ich-Erzähler wiederzufinden.

Schon seit Jahren ist Ulrich Effenhauser literarisch tätig und auch erfolgreich. Der 2009 erschienene Roman „Moeller entpuppt sich“, der 2010 veröffentlichte Erzählband „Autos, Elstern, Lampengeister“ und viele weitere Kurzgeschichten und Erzählungen machen nur Lust auf mehr. Erfreulicherweise wird noch im August dieses Jahres der Roman „Alias Toller“ auf dem Buchmarkt erscheinen.

Auf die schlichte Frage, was Effenhauser antreibe, erhielt die Verfasserin dieses kurzen Beitrags eine höchst interessante und ausführliche Darlegung seiner Kunstauffassung. Dabei sprudelte aus jedem Wort dieser effenhausertypische zugleich leidenschaftliche und empfindsame Perfektionismus, der jedoch immer leichtfüßig wirkt. Wenn ein Schriftsteller angibt, er möge es, wenn die Gedanken einfach so durch das Tippen der Finger auf den Bildschirm geraten und auf diese Weise sozusagen vom Flüchtigen ins Feste überführt werden, dann spürt man fast selbst die Kräfte, die ihn drängen. Doch Effenhauser erzählt auch vom enthusiastischen Zurechtfeilen seiner Texte, das oft genauso lange dauern könne, wie das Grundgerüst zu erstellen. Zu verschiedenen Tageszeiten und in möglichst unterschiedlichen Stimmungslagen arbeitet der Autor dann seine Geschichten durch, bessert aus, fügt hinzu, lässt Ideen fallen. Er selbst empfindet es als spannend und witzig, Geschriebenes morgens noch gut zu finden, es jedoch mittags bereits wieder verändern zu wollen. Für ihn gelten dabei einige Prinzipien, die es jedoch ebenso wie manch sprachliche Normen zu verbiegen oder gar zu durchbrechen gelte, um Kunst zu schaffen. Ganz lehrergemäß erklärt Effenhauser beispielsweise anschaulich, dass man nicht einfach sagen dürfe „Der Dieb war ziemlich hinterlistig“, sondern dies durch das Beschreiben der Gesten und Verhaltensweisen des Spitzbuben transportieren müsse. Dies bringe man ja auch schon den Fünftklässlern im Deutschunterricht bei. Und tatsächlich zeichnet Effenhausers Werk eine minuziöse, jedoch zugleich vielschichtige Linienführung aus, sodass er seinem Anspruch, ohne blutige Vollschocker den Leser am Einschlafen zu hindern, „bloß“ weil er durch Hintersinniges oder Beiläufiges zum Nachdenken angeregt wird, absolut gerecht wird.

Wenn man Effenhauser kennt, weiß man, dass seine Aussage, Geld mit dem Schreiben verdienen zu wollen, sei nur „zehnt- bis zwölftrangig“, absolut ehrlich ist. Seine treibende Kraft ist wohl tatsächlich die Leidenschaft am Formulieren, Gestalten, Erfinden und Tüfteln. Da er kein Musikinstrument beherrsche, müsse er halt etwas anderes, worin er sich perfektionieren mag, machen.

Trotz alledem stellt er das Literaturschaffen hinter seine Familie und seinen Lehrerberuf. Erst wenn alle Kinder schlafen oder anderweitig versorgt, die letzte Unterrichtsstunde vorbereitet oder die anstehenden Korrekturen erledigt sind, gönnt er sich die Kunst – manchmal wird dann auch nur schnell zwischendurch etwas überarbeitet. Rätselhaft bleibt es für Außenstehende dennoch, wie er diese drei Lebensaufgaben meistert.

Ihrem Schriftsteller wünscht die gesamte Schulfamilie des BSG mit seinem neuen Roman „Alias Toller“ großen literarischen Erfolg. Vielleicht erfüllt der bescheidene Literat auch irgendwann seinen Kollegen und zugleich eifrigsten Fans den Wunsch, seine Werke im Unterricht einsetzen zu dürfen.

Das Schuljahr im Blick