
BSG-Theater: „Ich hatte Angst um mein Leben. Da ist doch alles erlaubt. Oder?“
BSG-Theatergruppe brilliert mit „Angst“
Mit der Aussage „Ich hatte Angst um mein Leben. Da ist doch alles erlaubt“ endete das Stück „Angst“, das die BSG-Theatergruppe in zwei Aufführungen inszeniert hat. Das Publikum wurde aber nicht ohne die kleine Fragepartikel „Oder?“ entlassen – und so verpflichtet, sich erneut mit dem moralischen Dilemma des Schauspiels auseinanderzusetzen.
Auf die Bühne gebracht hatte die Theatergruppe die Geschichte einer Jugendgruppe, die sich in einem Feriencamp in den Bergen entschließt, auf eigene Faust ein Abenteuer zu erleben. Die Jugendlichen brechen heimlich auf, geraten in ein heftiges Unwetter, vor dem sie sich in einer abgelegenen Berghütte retten können. Dort müssen sie zwei Nächte ausharren. Schnell stoßen sie an ihre psychischen und physischen Grenzen: Der Proviant geht zur Neige, die Ungewissheit auf Rettung nagt an ihnen und vor allem Ralph, der erfahrenste Bergsteiger unter ihnen, verschwindet in der ersten Nacht einfach. Als sie dann an Tim „Blut – viel Blut“ und auch vor der Hütte Blutspuren entdecken, ist klar, dass ein Mörder unter ihnen ist. Die Fesseln ziehen sich wörtlich und sinnbildlich immer enger um Tim, den mutmaßlichen Mörder. Die Gruppe erfährt von seiner psychischen Instabilität, findet sein Taschenmesser. Tim wird aufs Heftigste beschimpft, ausgegrenzt und letztlich „wie ein Tier“ in einer Kammer gefesselt. Am Höhepunkt der Diffamierung taucht Ralph, der beim nächtlichen Wasserlassen abgestürzt ist und sich ein Bein gebrochen hat, wieder auf. Auch für die Blutspuren an Tim gibt es eine Erklärung: Sie stammen von Ralph, der sich vorher an einer Dose geschnitten hat und von Tim verarztet worden ist.
In diesen Plot versank das Publikum, Anspannung und Betroffenheit waren förmlich greifbar. Das schaffte die Theatergruppe von StRin Karin Kellermann auch durch ihre besondere Vorgehensweise: Das Stück an sich schreiben die Schüler, die aus allen Jahrgangsstufen kommen, in der ersten Phase des Wahlkurses nämlich selbst. Anregungen holten sie sich heuer aus dem Roman „Abgründig“ von Arno Strobel. Das heißt, es gibt kein vorgefertigtes Theaterstück, das einfach einstudiert wird. Erst nach dem Schreiben geht es an die Ausarbeitung der Inszenierung. Und diese war mehr als intensiv: Die gesamte Gruppe agierte ununterbrochen auf der Bühne. Sie war ein geschlossener Körper, der den zunehmenden Druck und die Enge in der Berghütte verkörperte. Die Kulisse blieb bewusst reduziert: Wenige Requisiten formten entweder die harsche Gebirgswelt oder die Hütteneinrichtung. Mit beeindruckender schauspielerischer Konsequenz verwandelten die Darsteller die Bühne in eine alptraumhafte Welt. Ein unsichtbarer Helfer im Hintergrund wob unablässig einen roten Faden – ein unheilvolles Bild für die drohende Gewalt, die schließlich in Tims Fesselung gipfelte. Schnelle Sprecherwechsel, chorartige Wiederholungen zur Intensivierung einzelner Aussagen, gelesene Textfragmente aus dem Off sowie die präzise Licht- und Tontechnik sind nur einige Beispiele für die künstlerische Raffinesse des Schauspiels.
Storyline, dramaturgische Mittel und schauspielerische Höchstleistungen sorgten dafür, dass sich die Zuschauer am Ende des Stücks der moralischen Frage „Oder?“ stellen mussten. Wie würde man selbst reagieren? Entschuldigt die Angst um das eigene Leben wirklich alles?